Stufen by Christian Morgenstern


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Page 28

So ein Toter aber, solch ein den meisten nur selten und unvollkommen
lebendig Werdender ist August Strindberg, ein gehetztes Wild, eine
laufende Flammens�ule, ein Mensch, alles in allem, vor dem die Sehnsucht
nach jenem 'Blitz aus der Wolke, der da hei�t �ber-Mensch' aufschreit,
wenn irgendwo: denn dieser Untergehende ist ein Hin�bergehender.

Was liegt an 'Werken' (im letzten Grunde), was an Korrektheit, Bravheit,
N�tzlichkeit, Tradition, Gem�t, Liebe -- kurz was an all dem
Vordergrundswesen, au�er da� da ein Mensch seinen Sinn sucht -- ein
_Mensch_. 'Respektiert den Menschen --'; er kommt so selten zum Vorschein.
Die Menschen -- was sind sie wert. Der Mensch ist immer ein Ph�nomen. Er
sieht nicht sch�n aus: Irgendwie hei�t sein Name und Ruhlos sein Schuh,
sein Rock hei�t Elend, seine Zunge Eitelkeit, sein Eingeweide Wollust,
sein Herz Flamme, sein Auge Sonnenheimweh, sein Wanderstab Nirgendsheim
und seine bittere Nahrung Er selbst.

In den H�fen und G�rten des Menschlichen gibt es viel N�tzliches und
T�chtiges zu tun. Da gebe es nur den Schurz und die Schaufel. Da wird das
Handwerk getan. Aber in der Gespensterstunde von zw�lf bis eins, da horcht
hinaus auf die wilde Jagd der vom Genius Gezeichneten, da la�t den
Menschen zu euch hinein und legt die Finger in seine Wunden und f�hlt --:
es gibt noch etwas, wovor Kunst und Wissen und all das versinkt wie ein
Rauch.

Und da wird euch Strindberg nicht mehr nur ein genialer Sonderling d�nken.



1905


Was wir in unsern neueren B�chern von der bisherigen Entwickelung der
menschlichen Gesellschaft vor uns haben, ist vor allem eins: _gewaschene_
Geschichte. Der nat�rliche Duft und Brodem der Dinge d�rfte uns
schlechtweg ersticken.

* * * * *

Jedem, der seine Gedanken niederlegt, blickt schon im Augenblick des
Schreibens ein Gr��erer �ber die Schulter, sei es ein Vergangener,
Lebendiger, oder noch Ungeborener. Wohl dem, der diesen Blick f�hlt: Er
wird sich nie wichtiger nehmen, als ein geistiger Mensch sich nehmen darf.

* * * * *

Der eine lebt, der andere schreibt sich aus. Das erste Dokument der Kultur
war -- ein Tagebuch.

* * * * *

Warum ist Balzac gr��er als Flaubert? Weil er eine unendliche F�lle ist,
aus der Gro�es und Geringes, aber immer Lebendiges hervorsprudelt. Balzac
ist eine bl�hende Wiese, wo Flaubert vielleicht ein kunstvoller Garten.
Keine Bewunderung hilft ihm gegen�ber, man mu� ihn lieben. Er hat dieses
tief alles durchblutende Mitgef�hl, jene wahre Liebe: die Sympathie, die
ihn das Leben nicht vergolden, aber mit jenen zarten H�nden anfassen l��t,
womit dieses feine und des sch�rfsten Beurteilers immer noch spottende
Gewebe allein angefa�t werden darf.

* * * * *

Der Sonderling:

Seit Friedrich Schillers hundertstem Todestag habe ich diesen Dichter f�r
mich Max Zottuk getauft; so sehr haben mir Presse und Publikum jeden
Buchstaben des einst teuren Namens verleidet.



1906


Die Romanschriftsteller irren sich, wenn sie glauben, da� ihre Leser sich
immer wieder die M�he n�hmen, die von ihnen sorgf�ltig beschriebenen
Gesichter im Geiste nachzuzeichnen. Wenn ich lese, sein Kopf glich einer
umgekehrten Zwiebel, so habe ich sofort ein Bild; wenn es aber hei�t, sein
Haar war braun, seine Stirn niedrig, seine Nase sch�n geschwungen, sein
Mund grob aufgeworfen, so geht das -- an mir wenigstens -- ziemlich
spurlos vor�ber.

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Books | Photos | Paul Mutton | Sun 21st Dec 2025, 12:24