Main
- books.jibble.org
My Books
- IRC Hacks
Misc. Articles
- Meaning of Jibble
- M4 Su Doku
- Computer Scrapbooking
- Setting up Java
- Bootable Java
- Cookies in Java
- Dynamic Graphs
- Social Shakespeare
External Links
- Paul Mutton
- Jibble Photo Gallery
- Jibble Forums
- Google Landmarks
- Jibble Shop
- Free Books
- Intershot Ltd
|
books.jibble.org
Previous Page
| Next Page
Page 5
* * * * *
Die junge J�din erschien immer zu einer bestimmten Stunde des Abends am
Fenster. Die Gasse, die Sylvester von ihr trennte, war nicht zwei
Arml�ngen breit. Man mu�te nur vermeiden, sich �ber das Sims zu beugen,
dann konnte man von den tief unten gehenden Menschen nicht gesehen
werden. Nachbarn waren nicht zu f�rchten; auf der einen Seite endeten
beide H�user im Stra�eneck, auf der andern erhob sich ein Torturm.
Der von einer Lampe erhellte Raum, in den Sylvester t�glich schauen
konnte, hatte gr�ne Tapeten; an der gegen�berliegenden Wand hing das
Bildnis eines alten Mannes, der einen goldnen Becher in der Hand trug.
Sylvester h�rte, wie dr�ben die Uhr tickte; auf ihrem geschweiften
Mahagonigeh�use stand ein alabasterner Adler mit ausgebreiteten Fl�geln.
Schon am ersten Abend hatte Sylvester das M�dchen beobachtet. Schweren
Herzens war er im dunklen Zimmer herumgegangen, zu vergessen gewillt,
da� er ein Haus auf dem R�cken schleppte und da� ein Weib ihm folgte,
unf�hlbar fesselnd; da sah er wie in einem Panorama durch die beiden
ge�ffneten Fenster beider H�user die an den Tisch hingelehnte Gestalt;
eine Hand, die den Kopf st�tzte, lag im schwarzen Haar vergraben, das
Gesicht hatte einen Ausdruck von tr�umerischem Enthusiasmus, aber die
feuchten Augen besa�en die Glut einer Nonne, die sich mitten im Gebet
an eine s�ndhafte Vision verliert.
So sehen sie aus, dachte Sylvester, die Schl�ferinnen, wenn das Seelchen
zwischen Jubel und Qual seiner selbst inne wird. Ein Weib zu belauschen,
das sich allein w�hnt, das hei�t, der Natur ihr am meisten bewachtes
Geheimnis zu entrei�en, dachte er weiter; wie nackt ist solch ein
Seelchen, wie menschenhaft! Bittet und lockt, wenn das Schicksal
schweigt, und zuckt und wimmert, wenn es spricht. Er war versucht, sie
anzurufen.
Eine leichte Unruhe in den Z�gen des M�dchens belehrte ihn �ber die
Kraft, die der ungewu�te Blick eines andern auszu�ben vermag. Sie erhob
sich pl�tzlich und ging zum Fenster, um es zu schlie�en. Ihr K�rper war
entt�uschend klein, in der Senkung der Schultern verriet sich
Zaghaftigkeit als eine gewohnte Last. Sylvester beugte sich �ber die
Br�stung, und das M�dchen stie� einen hauchenden Schrei aus; es duckte
den Kopf und starrte in das j�h emporgetauchte, unbestimmt erhellte
Gesicht des fremden Mannes. Aber er haschte f�rmlich nach ihr, er hielt
sie fest durch Blick und Willen. Er redete; er wu�te, da� er nicht laut
sein durfte; in zwei S�tzen erriet er sie ganz, ihr Leben, ihre
W�nsche, ihre Tr�ume, und sie, nicht ahnend, wie leicht dies sei,
umklammerte mit den Fingern den Fensterpfosten und staunte ihn gro� an.
Die nie Umworbene braucht nur begehrt zu werden, und sie begehrt selbst;
sie gleicht dem Schlafwandler, der beim ersten Laut aus Menschenmund
sich gefangen gibt; ihre Liebe ist Vorrat, ihre Hingebung der Fall einer
reifen Frucht, ein Abenteuer verleiht ihr Bestimmung.
Den Mut zu antworten fand sie noch nicht. Aber es folgten andere Abende.
Sie war immer zu dieser Stunde in der Wohnung allein. Sie ging zum
Fenster wie ein Hungriger zur Mahlzeit. Sie fragte nicht: wer bist du da
dr�ben? sie glaubte an den unerwartet Erschienenen blindlings.
Vielleicht hielt sie ihn f�r einen jungen Menschen, doch um sie zu
t�uschen, h�tte es der Dunkelheit kaum bedurft, sie sah nur, wonach sie
verlangte. Ihre Ausdrucksweise war der eines Kindes �hnlich, ihr
Vertrauen zur Welt war durch den Argwohn eines tyrannischen Vaters nur
um so schrankenloser geworden. Sie hie� Rahel und sie war achtzehn Jahre
alt. Ihr Vater war ein Antiquit�tenh�ndler, und so lange Rahel denken
konnte, lebte er einsam mit ihr in diesem schmalen, hohen und finstern
Haus. Ihre Mutter hatte sie nicht gekannt, sie wu�te nichts von ihr,
der Vater sprach nie von ihr. W�hrend des Tages mu�te sie bei ihm
drunten im Laden bleiben; hinter dem Laden war eine kleine K�che, und
dort kochte sie. Es war ihr verboten mit den Menschen zu reden. Wenn es
dunkel wurde, sperrte der Vater den Laden zu, schleppte seine Geldtruhe
�ber die drei Stiegen hinauf, und dann ging er zum Gottesdienst. Seine
Furcht vor den Menschen grenzte an Wahnsinn. Zitternd lag er in seinem
Bett, wenn des nachts die Trunkenbolde auf der Stra�e l�rmten, und stets
verzerrte sich angstvoll sein Gesicht, wenn der B�cker am Morgen die
Hausglocke zog. Er bewachte jeden Blick und Atemzug der Tochter; als sie
einmal einem Vor�bergehenden, der sie um den Weg gefragt, Auskunft
erteilt hatte, kauerte er bei ihrer R�ckkehr in den Laden in seinem
Polsterstuhl und heulte dumpf in sich hinein, so da� sie mit
Beteuerungen und ihren eigenen Tr�nen seinen Kummer stillen mu�te. Ohne
seine Begleitung durfte sie nicht �ber die Stra�e gehen, und er geriet
schon in Unruhe, wenn sie die Augen aufschlug. So war ihr die Welt zum
verbotenen Fest geworden, und wenn es eine Ungeduld gibt, die Ketten
sprengen und Kerkermauern st�rzen kann, die ihre war von solcher Art.
Previous Page
| Next Page
|
|