Der Mann von vierzig Jahren by Jakob Wassermann


Main
- books.jibble.org



My Books
- IRC Hacks

Misc. Articles
- Meaning of Jibble
- M4 Su Doku
- Computer Scrapbooking
- Setting up Java
- Bootable Java
- Cookies in Java
- Dynamic Graphs
- Social Shakespeare

External Links
- Paul Mutton
- Jibble Photo Gallery
- Jibble Forums
- Google Landmarks
- Jibble Shop
- Free Books
- Intershot Ltd

books.jibble.org

Previous Page | Next Page

Page 32

Der Gedanke, da� man sich w�hrend seiner Abwesenheit der Kinder
bem�chtigt haben k�nne, peitschte ihn geradezu nach Hause.
Schwei�bedeckt langte er an und atmete erst auf, als er die Knaben
hinter der Scheune spielen sah. Er befahl ihnen, in ihr Zimmer zu gehen,
dann rief er seine Leute zusammen. Es befanden sich in seinem Dienst
f�nf Knechte, darunter der alte Schermer, der die Knaben beaufsichtigte,
au�erdem drei halbw�chsige Jungen, die er aus dem protestantischen Asyl
zu sich genommen, und eine einzige Magd, die die K�che versorgte. Sie
war ihm erst in letzter Zeit durch einen Kaufmann in Markt-Erlbach
geschickt worden. Sie hatte ein heuchlerisches Wesen, und er mi�traute
ihr. Einer der Knechte wollte sie im heimlichen Gespr�ch mit dem
Fischhofbauern, dem bigottesten im ganzen Dorf, gesehen haben. Ursanner
sch�rfte den Leuten ein, da� die Tore bei Tag und Nacht versperrt
bleiben m��ten, da� ohne seine ausdr�ckliche Bewilligung niemandem
ge�ffnet werden, da� ebensowenig einer den Hof verlassen d�rfe und da�,
wer sich aus Angst oder sonstiger Ursache dem nicht f�gen wolle, es
jetzt gleich sagen m�ge; dem werde der Lohn ausbezahlt, und er k�nne von
dannen ziehen.

Es meldete sich keiner. Ursanner bestimmte die Wachtposten, die von
Stunde zu Stunde abgel�st wurden und lie� die Doggen loskoppeln.

Der Nachmittag, die Nacht und der n�chste Morgen verliefen ruhig. Kurz
vor zw�lf Uhr schlugen die Hunde an. Auf dem Schlangenweg zeigten sich
drei M�nner, einer mit einem H�cker, einer mit einer gro�en Hornbrille
und ein Gendarm. Durch das L�rmen der Tiere herausgelockt, trat Ursanner
an die eichenen Latten des Hoftores. Den mit dem H�cker kannte er, es
war der gegnerische Advokat; der mit der Hornbrille mochte ein
Gerichtsfunktion�r sein. Als die drei Personen oben waren, entwickelte
sich zwischen Ursanner und dem Advokaten folgendes Gespr�ch: �Was
w�nschen Sie?� -- �Ich hoffe, da� Sie von dem Zweck unseres Besuches
unterrichtet sind.� -- �Das bin ich.� -- �Nun also. Wollen Sie uns nicht
einlassen?� -- �Nein.� -- �Was bedeutet das?� -- �Es bedeutet, da� ich
das Urteil nicht anerkenne.� -- �Sind Sie toll?� -- �Ich weigere mich,
die Kinder herzugeben.� -- �Das kann Ihnen teuer zu stehen kommen.� --
�Gewi�; ich bezahle die Dinge nach ihrem Wert.� Der Funktion�r und der
Gendarm rissen vor Erstaunen die Augen auf. In dem h��lichen Gesicht des
Advokaten zeigte sich Mitleid. �Es mu� Ihnen doch klar sein, da� Sie
sich eines Verbrechens schuldig machen,� sagte er; �wenn ich die Anzeige
erstatte, sind in einer halben Stunde zwanzig Gendarmen hier, und Sie
k�nnen sich denken, da� es nicht lange dauern wird bis dem Gesetz, so
oder so, Folge geleistet ist. Es l��t sich nichts dagegen einwenden, da�
Sie Ihre eigene Person ins Ungl�ck st�rzen wollen, aber die armen
unwissenden Menschen, deren Brotgeber Sie sind, mutwillig zugrunde zu
richten, haben Sie kein Recht. Belieben Sie den Umstand zu �berlegen.�

Da schwieg Ursanner. Der Vorwurf traf ihn. Er konnte sich nicht
verhehlen, da� er hier eine unaustilgbare Schuld auf sich lud und nicht
mehr reinen Herzens vor das Tribunal der Menschheit treten durfte. Seine
erste Regung war, die Leute, auf deren Beistand er gez�hlt,
fortzuschicken, denn der tiefere Sinn seiner Absicht war ja blo�, die
�bermacht, der er weichen mu�te, zu sehen und k�rperlich zu sp�ren,
damit das Ma� der Unbill sich f�lle, ohne da� er sich schm�hlich
unterwarf. Wenn sie einen Schu� abfeuerten und die T�ren
zerschmetterten, war dem gen�gt; zu sinnlos ungleichem Kampf brauchte es
nicht zu kommen. Aber diesem Verlangen nach einer symbolischen Handlung
willfahrt die Wirklichkeit nicht; ihre Entscheidungen sind von gr�berer
Art. Ursanner erbebte vor sich selbst. Noch einmal erhob sich der
furchtbare Trotz, und mit Wollust trieb es ihn zum Untergang und zur
Vernichtung; doch zugleich war ihm, als sei dazu ein Blick der Liebe
n�tig, irgendeine Botschaft aus den Wohnungen der Schicksalsgeister, ein
pythischer Trost. Es leuchtete in seinen Augen, er schob die Brille in
die H�he, um frei in den Himmel zu schauen, nickte vor sich hin, und
w�hrend er sich gegen das Haus wandte, bat er den Advokaten, er m�ge
sich eine kleine Weile gedulden.

Er ging in das Zimmer, in dem sich die Knaben befanden. Sie sa�en mit
eigent�mlich verbissenen Gesichtern am Fenster einander gegen�ber und
lie�en ihre Beine pendeln. Ursanner nahm einen Stuhl und setzte sich zu
ihnen. �H�rt mal, Buben,� sagte er, �eure Mutter schickt nach euch.� Die
vier Beine h�rten auf zu pendeln, und vier Augen blickten Ursanner
gespannt an. �Was meint ihr,� fuhr er scheinbar harmlos fort, �wollt ihr
am Ende mit den fremden M�nnern zu eurer Mutter gehen?� Kein Laut, nur
ein gieriges, forschendes Schielen. Das Blut rauschte Ursanner in den
Ohren; mit M�he rang er um die Sprache. �Oder wollt ihr bei mir bleiben?
Redet nur frisch von der Leber weg.� Der j�ngere Knabe, der den
offeneren Charakter besa�, sprang empor, klatschte in die H�nde und
rief: �Zur Mutter, ach ja, zur Mutter! Das m�chten wir, nicht wahr,
Friedel?� Friedel l�chelte seltsam t�ckisch, und sein Vater durchschaute
in diesem verzweifelten Augenblick die gem�tlose, verstockte und
unehrliche Seele dieses Kindes. �Ihr wollt also lieber zu eurer Mutter
gehen?� fragte er, ohne die Anstrengung zu verraten, die ihn diese Worte
kosteten. Jetzt riefen beide Knaben: �Ja, zur Mutter,� erl�st, freudig
und wie aus einem Mund.

Previous Page | Next Page


Books | Photos | Paul Mutton | Mon 1st Dec 2025, 8:15