Der Mann von vierzig Jahren by Jakob Wassermann


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Page 26

Die Oktobertage und -n�chte vergingen, ohne da� Sylvester ihre Folge
wahrnahm. Wie ein aus dem Schlaf h�ufig Erwachender lebte er sie
zerst�ckt. Bisweilen sa� er plaudernd bei Frau von Rhynow; er zeigte
sich besonnen und gelassen, doch insgeheim machte er sich �ber jedes
Wort lustig, das er gebrauchte. Eine bestimmte Behauptung aufzustellen,
d�nkte ihn vollkommen sinnlos, und w�re es die flachste und beweisbarste
gewesen. Er ging in den Klub und redete mit dem und jenem; meistens
verfuhr er so, da� er mechanisch ungef�hr das Gegenteil von dem sagte,
was der andere gesagt hatte. Zu seinem Erstaunen wurde ein Gespr�ch
daraus. Er a� und trank und wunderte sich, da� ihn ein Bed�rfnis trieb.
Er suchte einen Schneider auf und besichtigte Stoffe f�r einen Anzug;
w�hrend er es tat, wunderte er sich, da� er es tat. Das Leben, welches
er f�hrte, kostete viel Geld, und da er mit seinem Vorrat zu Ende war,
unterschrieb er einen Wechsel, war sich aber keiner Verantwortung dabei
bewu�t. Seine Beobachtungsgabe war trotzdem dieselbe geblieben. So fiel
es ihm auf, da� sich Adam ungew�hnlich viel mit Briefschreiben
besch�ftigte. Er stellte ihn zur Rede, und Adam gestand, da� er mit Anna
Ewel korrespondierte. Bei der Erw�hnung dieses Namens dr�ckte Sylvester
den Zeigefinger auf das rechte und den Mittelfinger auf das linke Auge
und sein Gesicht bekam den Ausdruck verst�rten Nachdenkens.

Adam Hund hatte zahlreiche Gelegenheiten gehabt, mit Anna Ewel
zusammenzutreffen und sie die �berlegenheit f�hlen zu lassen, die er
sich im Weltgetriebe angeeignet. Er hatte in der schwarzen B�hmin eine
gl�ubige Zuh�rerin gefunden, und weil der Selbstliebe eines Mannes
nichts so sehr schmeichelt, als wenn eine junge Dame seinen moralischen
Urteilen wie auch den Erz�hlungen seiner Abenteuer bewundernd lauscht,
so hatte sich die Abrede einer brieflichen Verbindung, die den
fruchtbaren m�ndlichen Verkehr gedeihlich fortspinnen sollte, bald
ergeben. Adam belehrte seine Sch�lerin vornehmlich �ber den Weg, den sie
einschlagen m�sse, um einen Gatten zu bekommen. �Zuv�rderst ist es
geraten, da� man sich eines m�glichst geheimnisvollen Benehmens
beflei�ige,� schrieb er; �wenn sich zum Beispiel ein Strumpfband
gelockert hat und es steigen einem dar�ber peinliche Gedanken auf, weil
man notabene in guter Gesellschaft ist und nicht wagen darf, den Fehler
zu beheben, so empfiehlt es sich, eine melancholische Miene zur Schau zu
tragen oder mit tiefsinnigem Schmachten von einem gereimten Gedicht zu
sprechen. Es empfiehlt sich �berhaupt, wenn ein Frauenzimmer von Sachen
spricht, die sie nicht versteht, dann glauben die M�nner, sie verst�nden
noch weniger davon und sagen untereinander: das Weib hat einen
ungew�hnlichen Geist. Nat�rlich gen�gt solches nicht. Sie m�ssen auch,
teure Anna, trefflich gewaschen und gek�mmt sein, gewisse L�cken in der
�u�ern Person geschickt zu stopfen wissen, Salben und Wohlger�che ohne
Zudringlichkeit anwenden, im Beisein anderer wenig essen, auch wenn Sie
noch so gro�en Hunger haben, und ist dann der Gimpel einmal gefangen, so
hat's weiter keine Not. Das ist ja das Merkw�rdige, da� so selten einer
loskommt, und ich will Ihnen auch den Grund mitteilen, warum es so ist.
N�mlich wir M�nner, wir nehmen die Weiber ernst, wir wollen ihnen etwas
beweisen, wir wollen sie widerlegen, wir streiten mit ihnen wie mit
unseresgleichen und das, verehrenswerte Anna, ist das D�mmste, was wir
tun k�nnen. Dadurch haken sie sich an uns fest wie die Schnecke am Bein
eines Ochsen, und w�hrend wir glauben, da� sie mit uns auf dem
Lebenswege wandeln, tun sie nichts anderes als faul an unserem Fleisch
schmarotzen.�

Bei einem sonderbaren Anla� entdeckte Sylvester, da� Adam auch
Nachrichten von Erfft erhielt. Seit kurzem kochte Adam seine Mahlzeiten
selbst und tischte zuweilen seinem Herrn Kl��e in saurer Br�he oder nach
fr�nkischer Art gebratene Kartoffeln auf. Er wich nicht vom Fleck, bis
Sylvester seine Kunst belobt hatte, f�hlte sich dadurch ermuntert, �ber
die englische K�che zu r�sonieren und endete mit einem Preis der
heimatlichen Dinge. Sogar sein b�ses Weib erschien ihm in freundlicherem
Licht, und eines Tages verteidigte er sie gegen Sylvester mit einem
Eifer, als ob dieser sie der gr��ten Schandtaten bezichtigt h�tte. �Das
mit den Prinzipien und der m�nnlichen W�rde ist ja ganz sch�n,� redete
er auf den immerfort schweigenden Sylvester ein, �aber sie wei� einen
Apfelkuchen zu backen, da geht einem das Herz im Leibe auf. Neulich war
der Inspektor Marquardt bei ihr und konnte sich nicht daran satt essen.
Er hat mir geschrieben, da� sie in Dudsloch musterhafte Ordnung h�lt,
w�hrend in Erfft alles drunter und dr�ber geht. Die gn�dige Frau, die
doch gewi� eine Ausnahme ihres Geschlechts ist, k�mmert sich nur noch
wenig um die Wirtschaft und um die Leute und l��t sieben gerade sein.
Manchmal kommt der Herr Major her�ber, befiehlt, da� man ihm die
Haushaltungsb�cher zeigt, schimpft �ber den Verbrauch und verhandelt
dann stundenlang mit der gn�digen Frau hinter geschlossenen T�ren. Es
ist traurig, wenn der Herr nicht da ist.�

Adam hatte sich get�uscht, als er glaubte, mit dieser beredten und
vorsichtigen Schilderung unerquicklicher Zust�nde auf seinen Herrn
Eindruck zu machen. Sylvester antwortete nicht, und die Gleichg�ltigkeit
seiner Miene erf�llte den diplomatischen Zwischentr�ger mit Besorgnis.

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Books | Photos | Paul Mutton | Mon 1st Dec 2025, 1:27