Stufen by Christian Morgenstern


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Page 21




KUNST

1891


Zugleich aus dem Leben gegriffen und zugleich typisch -- das ist h�chste
Kunst.



1892


Es ist etwas J�mmerliches um einen Lyriker ohne Liebe. Was helfen da Mai
und Nachtigallen und Mondscheinn�chte. Trauriger Zustand.

* * * * *

Ihr f�rchtet, da� die Umsturzepoche, vor der wir zu stehen glauben, alle
Kunst und Poesie, alles Sch�ne und Wertvolle im Leben vernichte?

Ich f�rchte das nicht. Denn mag jeder Tempel zertr�mmert, jedes Kunstwerk
verbrannt, jedes Saitenspiel zerschmettert werden, das unantastbare
Saitenspiel, das Menschenherz, wird nie aufh�ren, von den ewigen Melodien
zu t�nen, die der Geist der Welten ihm zuhaucht.



1894


Alle wahrhaft gro�en Dichtungen sind Variationen zum Schicksalsliede,
seien es Maestosi, Allegri oder Scherzi.



1895


Ich betrachte als eine Aufgabe kommender Dichtergeschlechter, neue Mythen
zu schaffen, und wir wollen ihnen schon vorarbeiten.

* * * * *

Dichten ist immer die Wiedergabe von Erinnerung. Die Erinnerung aber ist
selbst etwas Dichtendes, k�nstlerisch Zusammenfassendes und Ausw�hlendes.

* * * * *

Ein Dichter mu� 77mal als Mensch gestorben sein, ehe er als Dichter etwas
wert ist.

* * * * *

Der reimlose Jambus hat ein so formelles Pathos, ein so gro�rednerisches
Moment in sich, da� er uns Modernen meistens geradezu unm�glich wird, da
wir in tiefster Seele von dem Willen durchdrungen sind, wahr zu sein,
redlich vor allem in der Wiedergabe unserer Stimmungen und inneren
Erlebnisse.

* * * * *

H�chste Empfindungen, Phantasie im Gewande intimster Natur -- -- -- --
eine Durchgeistigung der Realit�t auf allen Punkten, k�nstlerischer
Polytheismus (im Sinne der Kunst), das meine ich, mu� das Programm der
Zukunft, unserer Zukunft sein. Der Sieg des menschlichen Geistes �ber die
Au�enwelt mu� vollkommen werden.

* * * * *

Je einheitlicher ein Volk einen Stil aus sich herausentwickelt, um so mehr
ist es bei sich selbst _daheim_. Daher der Zauber des _mittelalterlichen_
Stils, daher heute unsere Heimatlosigkeit.

* * * * *

Wenn wir einen nationalen Baustil haben wollten, m��ten wir eine
einheitliche Weltanschauung haben.

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Books | Photos | Paul Mutton | Sat 20th Dec 2025, 10:20