Stufen by Christian Morgenstern


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Page 10

Es ist viel Gl�ck in mir, Gl�ck, das mir meine Grenzen verschleiert und
Gl�ck, das sie mir ins Unbestimmte hinausr�cken zu d�rfen scheint. Ich
habe viel Talent zum Leben, -- wenn das Leben nur mehr Talent zu mir
h�tte. Aber manchmal weht doch ein Windsto� alle die warme sch�tzende
Illusion fort und dann sehe ich fl�chtig meinen Umri� und -- schaudere.

* * * * *

Ich habe nur Einen wahren und wirklichen Feind auf Erden und das bin ich
selbst.

* * * * *

Wenn ich unter Menschen bin, bin ich wie auf Ferien. -- Und deshalb sollte
ich eigentlich nicht mehr unter Menschen und am wenigsten unter Freunde
gehen: denn sie wissen alle nicht, da� ich nur gastweise bei ihnen bin und
ihnen zuh�re, da� mir f�r vieles von ihrem Leben und Treiben die letzte
leidenschaftliche Aufmerksamkeit verloren gegangen ist, als w�re ich ein
Mann, der etwa in einem Saal einer feinen und gro�en Musik zuh�rt -- aber
drau�en vor der T�re steht heimlich sein Weib und wartet auf ihn und vor
lauter innerer Unruhe h�rt er nur mit halbem Ohre zu und verbirgt kaum
seine Zerstreutheit und mag manchem sch�rferen Beobachter mit Recht als
kein sehr fachm�nnisch engagierter Zuh�rer gelten.

* * * * *

Ich irre in diesen europ�ischen L�ndern umher wie ein Vogel in einem
Treibhaus. Die Menschen glauben, weil ich von einem Ort zum anderen reise,
lebte ich ein beneidenswertes Leben. Sie wissen nicht, da� mich letzten
Endes jeder dieser Orte entt�uscht -- denn �ber jeden ist der Fluch
europ�ischer Zivilisation ausgegossen, vor dem er vor hundert, ja vor
f�nfzig Jahren noch verschont war. Die entsetzliche N�chternheit der
letzten 30, 40 Jahre kriecht einem �berall nach, ja sie f�rbt auf einen
selber ab: Man verhotellt zuletzt rettungslos. Denn wo kein Hotel ist, da
ist kein Platz f�r dich mit deinem Rohrplattenkoffer und deiner
schriftdeutschen Sprache. Ich habe wohl auch meine Zeit an die
Gro�artigkeit unserer Epoche der Technik geglaubt, aber jetzt f�hle ich
nur noch das Eine: da� sie die Erde entzaubert, indem sie alles allen
gemein macht.

* * * * *

Das abwechselnde Summen zweier oder dreier Wespen erinnert mich an die
Responsorien der katholischen Kirche. Ich sehe die wohlgen�hrten
Schwarzr�cke vor mir, ich sehe den zelebrierenden Priester auf den Stufen
des Altars und den Altar selbst mit seinen schlanken Kerzen und alten
Gem�lden.

* * * * *

Ich habe diesen Herbst mit �beltaten angefangen. Ich habe an zwei hei�en
Septembertagen f�nf oder sechs Wespen get�tet, die in mein Zimmer gekommen
waren und mich beunruhigten. Das war ganz und gar gegen meine Gewohnheit
und nur durch eine Unruhe und Unbeherrschtheit zu erkl�ren, die unter dem
Einflu� des S�dwindes mich vielleicht ebenso wie die Wespen �berkommen
hatte.

Sp�tere Bemerkung:

Ich wei� noch, wie mich damals besonders die 'Dummheit' der Tiere erregt
hatte, die oft eine Stunde lang an der Zimmerdecke hin und her und auf und
ab irrten, ohne den scheinbar so einfachen Weg durch die offene Balkont�r
wiederzufinden oder wiederfinden zu wollen. �bertragen wir diese meine
Ungeduld und Unduldsamkeit auf G�tter und Menschen, so h�tten diese G�tter
wohl den ganzen Tag nichts weiter zu tun, als Menschen totzuschlagen.

* * * * *

Mein ganzes Leben lang suche ich den Stachel, den ich hier ins tr�ge
Fleisch dr�cken k�nnte -- und finde ihn nicht.

* * * * *

Ich k�nnte heute noch im Walde wie ein Knabe spielen: Aus Steinen und
Holzst�cken H�user bauen, mit d�rren Zweiglein Stra�en abstecken und Haine
bilden, einen Felsblock zum Range eines Alpengipfels erheben und einem
Hirschk�fer und seiner Frau die Herrschaft �ber das alles verleihen. Und
dieses kleine Reich w�rde mich gl�cklicher machen und meine Phantasie
umst�ndlicher erregen und besch�ftigen -- als ein noch so gro�es der
Wirklichkeit. So habe ich einmal, mit 35 Jahren, acht Tage am Strande von
Sylt mit Bauen und Zimmern einer Strandh�tte verbracht und war wohl selten
so von Herzen froh, wie bei diesem harmlosen Spiel.

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Books | Photos | Paul Mutton | Sat 6th Sep 2025, 23:43