Stufen by Christian Morgenstern


Main
- books.jibble.org



My Books
- IRC Hacks

Misc. Articles
- Meaning of Jibble
- M4 Su Doku
- Computer Scrapbooking
- Setting up Java
- Bootable Java
- Cookies in Java
- Dynamic Graphs
- Social Shakespeare

External Links
- Paul Mutton
- Jibble Photo Gallery
- Jibble Forums
- Google Landmarks
- Jibble Shop
- Free Books
- Intershot Ltd

books.jibble.org

Previous Page | Next Page

Page 1

Diese Jahre waren grundlegend f�r ein Verh�ltnis zur Natur, das ihm sp�ter
die M�glichkeit gab, zeitweise v�llig in ihr aufzugehen.

Sie waren aber auch n�tig, denn bald nach seinem zehnten Jahre, in dem er
die Mutter verlor, begann der Ansturm feindlicher Gewalten von au�en wie
von innen. Was sich bisher, gehegt und verw�hnt, daheim und im Freien so
durchgespielt hatte -- mein Spielen bildet f�r mich ein eigenes sonniges
Kapitel -- zeigte sich dem �u�eren Leben, wie es vor allem in der Schule
herantrat, weniger gewachsen. Es war, als w�re das Leidenserbe der Mutter,
das doch erst zw�lf Jahre darauf zu wirklichem Kranksein f�hrte, schon
damals �bernommen worden; denn wenn auch mancher frische Aufschwung immer
wieder weiter trieb, so setzten doch mehr und mehr jene dumpfen Hemmungen
ein, die ihn wohl nicht h�tten so zu Jahren kommen lassen, wenn nicht
irgend etwas in ihm ebenso z�he f�r ihn gestritten und ihn �ber das
Schlimmste immer wieder von neuem hinweggebracht h�tte. Vielleicht war es
dieselbe Kraft, die, nachdem sie ihn auf dem physischen Plan verlassen
hatte, geistig fortan sein Leben begleitete und, was sie ihm leiblich
gleichsam nicht hatte geben k�nnen, ihm nun aus geistigen Welten heraus
mit einer Treue schenkte, die nicht ruhte, bis sie ihn nicht nur hoch ins
Leben hinein, sondern zugleich auf H�hen des Lebens hinauf den Weg hatte
finden sehen, auf denen der Tod seinen Stachel verloren und die Welt ihren
g�ttlichen Sinn wiedergewonnen hat.

Sie mag ihm auch den Jugend- und Lebensfreund zugef�hrt haben, _Friedrich
Kay�ler_, dem die Sammlung 'Auf vielen Wegen' (und wieviel anderes!) mit
dem Danke geh�rt: 'W�r der Begriff des Echten verloren / In Dir w�r er
wiedergeboren'.

In meinem 16. Jahre etwa wurde mir das erste Gl�ck philosophischer
Gespr�che. Schopenhauer, vor allem, auch schon die Lehre von der
Wiederverk�rperung traten in mein Leben ein. Es folgte, Anfang der
Zwanziger, Nietzsche, dessen suchende Seele mein eigentlicher Bildner und
die leidenschaftliche Liebe langer Jahre wurde. Die Aufgabe, Ibsens
Verswerke zu �bertragen, f�hrte mich 1898 nach Norwegen. Ich lernte Henrik
Ibsens teure Person kennen und durfte in den �bersetzungen von 'Brand' und
'Peer Gynt' mich innerlichst mit ihm verbinden.

Das Jahr 1901 sah mich �ber den 'Deutschen Schriften' Paul de Lagardes. Er
erschien mir -- Wagner war mir damals durch Nietzsche entfremdet -- als
der zweite ma�gebende Deutsche der letzten Jahrzehnte, wozu denn auch
stimmen mochte, da� sein gesamtes Volk seinen Weg ohne ihn gegangen war.

Noch sechs Jahre darauf schrieb ich in mein Taschenbuch:

Zu Niblum will ich begraben sein,
am Saum zwischen Marsch und Geest ...

Zu Niblum will ich mich rasten aus
von aller Gegenwart.
Und schreibt mir dort auf mein steinern Haus
nur den Namen und: 'Lest Lagarde!'
Ja, nur die zwei Dinge klein und gro�:
Diese Bitte und dann meinen Namen blo�.
Nur den Namen und: 'Lest Lagarde!'

Das Inselchen Mutterland dorten, nein,
das will ich nicht verschm�hn.
Holt mich doch dort bald die Nordsee heim
mit steilen, st�rzenden Seen --
das Muttermeer, die Mutterflut ...
o wie sich gut dann da drunten ruht,
tief fern von deutschem Geschehn!

Inzwischen war dem F�nfunddrei�igj�hrigen Entscheidendes geworden. Natur
und Mensch hatten sich ihm endg�ltig vergeistigt. Und als er eines Abends
wieder einmal das _Evangelium nach Johannes_ aufschlug, glaubte er es zum
ersten Male wirklich zu verstehen.

Die n�chsten Jahre -- des Austragens, Ausreifens, zu Ende Denkens --
�berstand er so, wie er sie �berstand, eigentlich nur, weil ihm Gesundheit
und Mittel fehlten, sich irgendwohin zur�ckzuziehen, wo er in v�lliger
Unbekanntheit seine Tage h�tte vollenden d�rfen. Er war doppelt geworden
und in der wunderlichen Verfassung, sich, sozusagen, gro� oder klein
schreiben zu k�nnen. (In 'Einkehr', 'Ich und Du' und einer Sammlung
Aufzeichnungen findet sich Einiges aus diesem Abschnitt.)

Er konnte in einem Kaffeehause sitzen und f�hlen: 'So von seinem
Marmortischchen aus, seine Tasse vor sich, zu betrachten, die da kommen
und gehen, sich setzen und sich unterhalten, und durch das m�chtige
Fenster die drau�en hin und her treiben zu sehen, wie Fischgewimmel hinter
der Glaswand eines gro�en Beh�lters, -- und dann und wann der Vorstellung
sich hinzugeben: Das bist Du! -- Und sie alle zu sehen, wie sie nicht
wissen, wer sie sind, wer da, als sie, mit SICH selber redet und wer sie
aus meinen Augen als SICH erkennt und aus ihren nur als sie!' ...

Previous Page | Next Page


Books | Photos | Paul Mutton | Sat 26th Apr 2025, 17:12