Der Kalendermann vom Veitsberg by O. Glaubrecht


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Page 2

Und neben die Spinnräder hatten die Bänderkrämer aus Sachsen ihre Buden
aufgeschlagen. Hoch von den Stangen herab flatterten lustig und lockend,
von Seide und Wolle, theuer und wohlfeil, aber brauchbar und sehr
beliebt, die bunten Bänder, und die Krämer priesen den Mägdlein die
breiten, mit Flittergold durchwirkten Streifen zu Rockenbändern an.

Von vielen Kunden besucht, bekannten und unbekannten, und manchen Gruß
rufend und manchen Händedruck gebend, sah man dort die Schuhmacher von
Alsfeld und Homberg guten Markt halten, während die Messerschmiede von
Lauterbach mit den Kindern um die Batzenmesserlein feilschten, klein und
mit hölzernen Stielen, indeß der Kaufmann von fern her, auf dem Nagel
den Stand der Messer und Gabeln prüfte und dutzendweise sie mit sich
nahm.

Hell glänzten dort in der Octobersonne die Zelte und Buden der Blech-
und Kupferschmiede von Grünberg, und ihnen zur Seite hatten auf dem
grünen Rasen einer Wiese zwischen den Herbstzeitlosen, die Niemand
beachtete, die Töpfer von Marburg und Hausen ihre bräuchliche Waare
ausgestellt.

Es war gute Zeit im Lande, die Erndte war reichlich ausgefallen, in den
Säcken des Bauern war Geld und die Kaufleute waren billig und ließen
Alles um den halben Preis, wie sie sagten, aus lauter guter
Freundschaft. Wohin man nur sah, da bemerkte man frohe Gesichter. Selbst
um die Bude eines reisenden Doctors her gab's mehr Lachen, als Weinen;
denn so schrecklich der Mann selber aussah in seiner ungeheuren Perücke
und seinem dreieckten Bordenhut darauf und seinem rothen Rock mit
thalergroßen Stahlknöpfen und seinem Halsband von Menschenzähnen; so
hatte er doch neben sich ein Männlein stehen, bunt gekleidet und immer
lachend, das mit seinen Späßen auch die bittersten Pillen und Pulver
versüßte, und so drollige Gesichter schnitt, während er die Köpfe zum
Zahnausziehen hielt, daß aller Schmerz nicht der Rede werth war.

Und was doch in der Bude gegenüber das Bier so trefflich schmeckte und
die Würste so lieblich dufteten; denn wer that's je den Metzgern von
Grünberg in ihrer Blutwurst gleich! Nur Einer wagte zu versichern, die
seine sei besser, fetter und delicater, das war ein Metzger aus
Schotten, der seine Bude nicht fern von dem Grünberger aufgeschlagen
hatte, und allen Kunden mit Stirnrunzeln nachsah, die hinüber zu dem
Grünberger gingen; »denn Schotten«, sagt er, »liefert die beste Wurst
auf weit und breit;« und »alls herein, meine Herrn«, rief er, »alls
herein, hier ist Alles zu haben für Mund und Herz, Musik und Schauspiel,
wenn's beliebt!«

Das Schauspiel war aber eine Gesellschaft von Hunden, theils in
Bordenröcke gekleidet, mit Hüten und Perücken auf den Köpfen, theils in
Reifröcke gehüllt und die Damen vorstellend. Die führten nach dem Ton
einer Sackpfeife, die ihr Herr blies, allerlei kurzweilige Tänze aus,
machten einander Diener und Knickse, und benahmen sich ganz anständig,
bis ein Spaßvogel ihnen ein Stück Wurst zuwarf, worauf sie schnell in
ihre Hundenatur zurückfielen.

Da gab's unmäßiges Gelächter, in das eine Schaar von Knaben aus vollem
Halse einstimmte, die mit Holz und Strohbündeln unter den Armen den
benachbarten Höhen zueilten. Denn wer mag ein Knabe sein in der guten
Stadt Grünberg und kein Gallusfeuer sehen! Zwei Freuden auf einmal; von
den Höhen herab den Markt sehen mit seinem bunten Gewimmel und vor sich
das Gallusfeuer! Da klingt erst das Lied recht gut.

»Gallmarkt ist da!
Drum heraus
Aus dem Haus!
Wer Bier hat, der trink's,
Wer Holz hat, der bring's
Zum Gallusfeuer,
Zum Gallusfeuer!«

Während so Geschäftigkeit und Frohsinn den Jahrmarkt belebte, schallte
durch das Getümmel hindurch der dumpfe Ton einer Trommel, in den sich
schrillernd die Melodie einer Querpfeife mischte. Alles was abkommen
konnte, drängte sich der Stelle zu, und man sah, was man lange nicht
gesehen hatte, zween Polacken in Pelzkleidern und mit großen Prügeln in
den Händen, die führten an einer langen Kette einen Bären, und auf dem
Rücken des fürchterlichen Thieres saß, o Wunder und Entzücken! ein
Aefflein in einem rothen Jäckchen, sonst nichts um und nichts an. Das
Aefflein tanzte auf dem Bären und schlug Purzelbäume, und aß Aepfel und
warf die Krutzen nach den Zuschauern. Und der Bär tanzte auch, aber viel
ungelenkiger und schien gar keine Freude an seinem Tanzen zu haben, und
bekam viele Prügel, daß er zum Entsetzen von Jung und Alt erschrecklich
brummte.

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Books | Photos | Paul Mutton | Thu 25th Apr 2024, 7:53